Separatismus auf die bayerische Art: Das sind die Guglmänner.
Gerade um Pfingsten herum tauchen seine Mitglieder gern in der Nähe des Sees auf. Denn dann jährt sich der Todestag von Ludwig II., dem legendären Bayernkönig, der sich hier am 13. Juni 1886 das Leben genommen haben soll – was die Guglmänner anzweifeln. Sie sind überzeugt, dass es kein Selbstmord, sondern Mord war. Ein politisches Verbrechen, das von preußischen Geheimagenten begangen wurde, um den letzten Stachel im Fleisch des neuen Deutschen Reiches zu beseitigen. Bayern hätte eigentlich nie ein Teil des 1871 gebildeten deutschen Nationalstaats unter preußischer Führung werden, sondern ein unabhängiges Königreich bleiben sollen. So sehen das jedenfalls die Guglmänner, die von vielen Menschen als Verschwörungstheoretiker belächelt werden, sich selbst aber als die Hüter der bayerischen Monarchie sehen.
Sie untersuchten den Sarg des Königs auf Löcher – und siehe da: Sie fanden eins
Ludwig II. hat viele Spuren in Bayern hinterlassen – zu seinen Traumschlössern wie Neuschwanstein oder Linderhof pilgern jedes Jahr Tausende von Touristen, darunter viele aus Japan oder den USA, wo in Disneyland mit dem „Cinderella Castle“ eine Art Kopie Neuschwansteins steht. An diesen Orten tauchen die Guglmänner gern überraschend auf. „Man sollte zu viel Regelmäßigkeit vermeiden, sonst haben es die Gegner leicht, einem in die Quere zu kommen“, sagt Richard H., einer der Sprecher der Guglmänner. „Wir treten auf, und dann sind wir wieder weg.“
Richard H. war von Anfang an dabei, auch vor vier Jahren, als die Guglmänner mit einem Boot zu dem Ort am See gefahren sind, wo Ludwigs Leiche gefunden wurde und wo jetzt ein Kreuz steht. Dort haben sie riesige gasgefüllte Ballons aufsteigen lassen, auf denen geschrieben stand: „Es war Mord!“ – in gotischer Schrift. „Das war ziemlich auffällig“, sagt Richard H.
Manchmal kommen die Guglmänner aber auch ganz unauffällig daher, dafür umso dreister. So wie bei ihrer bislang wichtigsten Aktion, die 1998 am Sarg des Königs in der Münchner St.-Michaels-Kirche stattfand. Die Guglmänner hegten schon lange den Verdacht, dass der Leichnam Ludwigs hier gar nicht mehr liegt. Angeblich wurde er in den 1930er-Jahren aus dem Sarg genommen, um eine Autopsie zu verhindern, die die wahre Todesursache ans Licht hätte bringen können. Also fassten die Guglmänner den Plan, die Unterseite des Sarges zu fotografieren – um zu beweisen, dass es darin ein Loch gibt. „Wir haben eine gut aussehende junge Dame vorgeschickt, die den Wächter abgelenkt hat“, erklärt Richard H. „Und die Kamera haben wir auf einen kleinen Wagen montiert und ihn unter den Sarg geschoben.“
Natürlich fanden die Guglmänner verdächtige Spuren, die sie glauben ließen, dass der Sarg leer sei – von anderen dagegen konnte dies nur als eine gammelige Stelle am Sarg gedeutet werden.
„Freiheit für Bayern“ – dafür wollen sie sich starkmachen
Ursprünglich waren die Guglmänner Begleiter von Trauerzügen verstorbener bayerischer Monarchen, aus dieser Tradition stammt ihre schwarze Kluft mit der Kapuze, die den Kopf komplett verdeckt und nur ein kleines Loch für die Augen frei lässt. In diesem Aufzug kann man sie durchaus auch von Zeit zu Zeit in den Straßen Münchens antreffen. In der Landeshauptstadt Bayerns gibt es so einiges, worüber sich die Guglmänner empören können. Sei es ein „verunglimpfendes Stück“ über den sehr exzentrischen bayerischen König an den Münchner Kammerspielen (Georg Ringsgwandls „Ludwig II. Die volle Wahrheit“) oder eine Mercedes-Werbung an der St.-Michaels-Kirche („Gottliebt Daimler“). Wenn sie es bei ihren Protesten mit der Staatsmacht zu tun bekommen, ist ihnen das nur recht. Zu diesem Staat wollen sie ja ohnehin nicht gehören, und Aufmerksamkeit möchten sie gern erregen.
In diesen Zeiten, in denen in Europa viel von Separatismus die Rede ist, fühlen sich die Guglmänner im Aufwind. Länder wie Schottland im Vereinigten Königreich oder auch Katalonien in Spanien versprechen sich von einer staatlichen Unabhängigkeit innerhalb der EU mehr Freiheit und Prosperität. Wobei gar nicht ausgemacht ist, ob sie als unabhängige Staaten so einfach Aufnahme in die EU finden würden. Dennoch halten auch die Guglmänner an dieser Forderung fest. „Viele Regionen sind früher Nationalstaaten angeschlossen worden, zu denen sie sich eigentlich gar nicht zugehörig fühlen und wo diese Menschen dann Minderheiten sind“, sagt Richard H. „Heute, in der Europäischen Union, könnte man diesen Regionen doch ihre Eigenständigkeit geben.“ Überhaupt gilt der Nationalstaat den Guglmännern als überholtes Konzept des 19. Jahrhunderts. „Freiheit für Bayern!“, rufen sie auf ihren Mahnwachen. Doch es gibt da einen kleinen Unterschied zu den Unabhängigkeitsbewegungen, mit denen sie sich gern vergleichen: Einer Mehrheit der Bayern sprechen die Guglmänner nicht aus dem Herzen – sie bleiben dann doch nur ein paar seltsame Gestalten in schwarzen Mönchskutten.