Britisch besetzte Zone
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Britisch besetzte Zone

„Look, you dickheads, the only difference between Turkish people and English people in Berlin is that Turkish people look better naked.“

Haben die Tories die Sowjetunion und die nur DDR erfunden, um Margaret Thatcher an der Macht zu halten? Und warum klingt nichts nationalsozialistischer als ein Engländer mit deutschem Akzent? Um diese Fragen ein für alle mal zu klären, kommen scharenweise Engländer nach Berlin.

Text: Ben Knight; Jacinta Nandi (beides Untertanen der Queen)

Wenn ein Engländer etwas schaffen will, wenn er erfolgreich sein will, sich an der Welt messen – dann bleibt ihm nichts anderes übrig, als nach London zu ziehen. Diese Fixierung auf die Hauptstadt ist einem Deutschen eher unverständlich. Hier ist alles, was die Nation ausmacht, über viele Städte verteilt – wenn man nicht in die deutsche Hauptstadt zieht, heißt das nicht zwingend, dass man nicht weiß, was man werden will, wie in England. Im Grunde ist es hier genau umgekehrt: Wenn man nach Berlin zieht, heißt das oft, dass man studieren will bis man 30 ist, um dann ein paar Jahre Auszeit zu nehmen und in Ruhe zu überlegen, was man später einmal machen will.

London fordert viel mehr von einem – dort muss man vom Anfang an mindestens 25.000 Pfund im Jahr verdienen. Man muss schnell mit dem Dreck, mit der Enge, mit den Menschenmassen, mit der Gewaltbereitschaft und der Größe klarkommen. Da ist Berlin eine gute Möglichkeit, seinem Schicksal als Engländer zu entkommen.

Zudem haben Engländer seit den Schriften von Christopher Isherwood die Vorstellung, dass Berlin die Stadt der Dekadenz ist, der legalen Prostitution, der Avantgarde, der grotesken, zerstörten Kunst. Und England? Oder „Little England“? Eine beschränkte Insel der Ignoranz ist das geworden, wo niemand eine Euro-Währung haben will, wo „Continental Europe“ ein anderer Erdteil ist. Vor allem beim Studium wird einem bewusst, was „Little England“ bedeutet, und man will dieser geistigen Insel unbedingt entkommen. Da man in England schon mit 21 mit dem Studium fertig ist, sind viele der Engländer in Berlin sehr jung.

Es gibt noch einen anderen Grund, warum man als Engländer nach Berlin zieht, besonders für die älteren, langfristigen englischen Berliner: Kalte-Kriegs-Neugier. Viele Engländer wollen wissen, ob die ganze Propaganda stimmt, die man ihnen in der Schule eingetrichtert hat. Gab es in einem Teil der Stadt wirklich keine Bananen, nur eine Automarke und Geld aus Aluminium? Wenn ein Engländer mit seinen Eltern durch Berlin fährt, geht es immer nur um die eine Frage: „Sind wir jetzt in Ost oder West?“ Dahinter steckt die Befürchtung, dass es Ost und West nie gab. Dass der ganze Kalte Krieg eine einzige Verschwörung war. Es gab im England der 80er-Jahre einen bösen Verdacht: Um Mrs. Thatcher noch an der Macht zu halten, haben die Tories die Sowjet-Union und die DDR einfach erfunden.

Sobald sich der englische Berliner vergewissert hat, dass die UdSSR oder so etwas Ähnliches wirklich existierte, geht es eigentlich nur noch darum, mit so vielen deutschen Berlinern wie möglich zu schlafen. Am besten mit Ostberlinern – aus den oben genannten Gründen. Weil man damit seine Geschichte komplettiert und endlich in der Realität ankommt.

Hart wird es für Engländer, die länger bleiben wollen. Allein schon, Deutsch zu lernen, ist immens schwierig. Nicht, weil es eine so schwere Sprache ist, sondern weil die meisten Deutschen lieber ihre eigene Mutter mit einer Kuchengabel töten würden, als die Chance zu verpassen, ihre Englisch-Kenntnisse unter Beweis zu stellen – und sei es bei der Bestellung eines „Large Coffee Of The Day mit Cookie” im Coffeeshop um die Ecke. Daher fehlt es den Engländern oft an Motivation, die Sprache zu lernen – aber ohne Deutsch ist es schwer, einen Job zu bekommen. Es gibt natürlich Engländer, die in Berlin Erfolg haben – London Times Korrespondent Roger Boyes vielleicht, oder Claire Coles, die die Sprachschule Oskar-Lernt-Englisch besitzt – man muss aber eben eigenständig sich etablieren. Alle andere sind halt Engländer, die nur Ihrem wahren Schicksal in London entkommen wollen.

Was bleibt uns Engländern übrig, wenn wir kein Deutsch können? Englisch unterrichten, für den EXBERLINER – eine englischsprachige Stadtzeitschrift – zu schreiben, oder in einem Call Center zu arbeiten, wo man als Engländer abends antreten muss, um Hausfrauen in den USA nach ihrem Waschmittel zu fragen. Um die entsprechende Minderwertigkeitskomplexe zu vermeiden, gibt es eben nur eins – so deutsch zu werden wie möglich. Denn für uns Engländer, die hier wohnen, sind die Deutschen selbstbewusster, kompetenter, organisiertier und sie haben die strafferen Körper. Sie sind bessere Menschen in jeder Hinsicht. Manchmal scheint es so, als ob deutsche Berliner ständig Grill-Parties an einem Seeufer feiern, zu denen man nicht eingeladen ist, und danach Gruppen-Sex miteinander haben.

Das Sozialleben der Engländer in Berlin hingegen konzentriert sich auf kleine Buchläden, die es sich zum Prinzip gemacht haben, eine Ersatz-Insel in der Stadt zu schaffen: Margot Schöller in Charlottenburg, St. George’s Bookshop in Prenzlauer Berg, East of Eden in Friedrichshain, Another Country (der Name sagt alles!) in Kreuzberg. Statt im Pub, wovon es in Berlin nur einen gibt – den Union Jack in Charlottenburg – saufen die Engländer in Berlin lieber in Buchläden. Hier wird neben alten Büchern Bier und Wein illegal verkauft, Filme werden gezeigt, Konzerte gegeben, und ab und zu kommen auch Deutsche vorbei, um sich einen Engländer auszusuchen, mit dem sie schlafen.

Noch eins kann man als Engländer in Berlin machen – Nazis in Hollywood-Filme spielen. Das ist ja sowieso eine grosse britische Tradition, aber für den Engländer, der in Berlin lebt ist es natürlich einen besonderen Genuss, die aller tiefsten, von der Kindheit geprägten Vorurteile auszuspielen. Als letztes Jahr Valküre in Berlin gedreht würde, hat man viele Komparsen aus der englischen Gemeinde in Berlin geholt. Aus langer Erfahrung weiß man, dass für amerikanische Ohren nichts nationalsozialistischer klingt, als ein Engländer mit einem deutschen Akzent. So können wir auch Erfolg haben.


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