Hilfe, ich bin verloren! Ein kurzer Führer der deutschen Kulte
Paganism - VICE

Hilfe, ich bin verloren! Ein kurzer Führer der deutschen Kulte

Die Erde war schon immer voller dummer Menschen. Selbst wenn man glaubt, dass die Geschicke der Welt seit dem Urknall von außerirdischen Mächten gelenkt werden, war, ist und bleibt die Welt voller dummer Menschen. Wenn dumme Menschen depressiv sind oder ihre Schauspielkarrieren in Sackgassen enden, brauchen sie eine Beschäftigung. Deshalb gibt es religiöse Sekten. Gib diesen halb-gebildeten armen Schweinen, die ihr Leben nicht in den Griff bekommen, ein Selbsthilfephilosophie-Buch und eine Hierarchie und sie sind wenigstens weg von der Straße.

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Es gibt ausufernde akademische Debatten darüber, was eine Sekte zu einer Sekte macht. Deshalb hier auf einen Blick, die VICE-Definitionen für den Hausgebrauch:

1. Diktatur: Wenn ein Mann in einem weißen Anzug entscheidet, wer dabei ist und wer nicht, und welche Mädchen mit ihm schlafen dürfen, ist es eine Sekte.

2. Tiefe Traurigkeit: Wenn alle aussehen, als wären sie gerade in einen existenzialistischen Abgrund gestürzt, ist es eine Sekte.

3. Modeblindheit: Wenn keiner ein Gefühl für Kleidungsstil hat, ist es eine Sekte. (Man beachte: Sind die Hemden der Männer in ihre Hosen gestopft?)

4. Freundlichkeit: Wenn alle wirklich, wirklich ausgesprochen nett zu dir sind, ist es eine Sekte.

5. Hartnäckige Fatalisten: Wenn jeder behauptet, dass du ein leerer, oberflächlicher Materialist bist, der seine wahre Natur verrät, ist es eine Sekte.

In Deutschland genießen Sekten nicht so viele Freiheiten, und man schenkt ihnen nicht so viel Aufmerksamkeit, wie es in Amerika der Fall ist, weil die deutsche Verfassung Gruppen verbietet, die Demokratie ablehnen (siehe VICE-Definition 1). Doch genau das ist der Grund, warum die Leute beitreten. Die Welt versinkt in Zynismus, und die Menschen tun gerne Dinge, nur um ihre Regierung zu ärgern. Wähl die Grünen, werde Satanist, sei transsexuell—ist alles das Gleiche, so lange du dich außerhalb der gesellschaftlichen Norm positionierst.

Hier sind ein paar der besten Optionen genau dafür, wenn du in diesem Land auf Sinnsuche bist.

Scientology

Geschichte:

L. Ron Hubbard hatte vielleicht die dickste Hose in der Geschichte der Menschheit. Er ist so etwas wie der Malcolm McLaren der Religion. Beide sind langweilige Schwindler mit ingwerfarbenen Haaren, die dadurch reich geworden sind, dass sie eine Subkultur erfunden haben. Der Unterschied ist, dass Hubbard viel reicher geworden ist und sein speckiges Leben auf einer Jacht verbringt und ihm die Frauen anderer Leute durch den Hosenschlitz seines grauen Anzugs einen blasen. Dass du Macht hast, weißt du, wenn du nicht einmal die Hose ausziehen musst. Wie auch immer, Erfolg ist Erfolg, und definitiv braucht man ziemlich riesige Eier, um eine Religion zu erfinden, sie dann urheberrechtlich schützen zu lassen, mit multinationaler Macht zu vermarkten und dann noch Steuerfreiheit zu bekommen. Hubbards Erben in der Scientology-Kirche haben seinen Brauch fortgeführt, nicht lange zu fackeln und jeden zu verklagen, der sie eine Sekte nennt.

Hubbard erfand Scientology in den Fünfzigern, indem er Buddhismus, Christentum und Psychologie miteinander mischte und dann behauptete, diese Religionen seien Müll und Psychologie nur Gehirnwäsche. Er begann damit, traumatisierte Soldaten aus dem Zweiten Weltkrieg zu psychoanalysieren und brachte sie dazu, ihm Motive für Science-Fiction-Geschichten zu liefern. Er verwandelte diese Träume in schlechte Romane und Mythologie für seine neue Religion, während er an seinen Überredungskünsten feilte, um Dianetik zu erfinden, seine Selbsthilfephilosophie.

Und dann, vierzig Jahre später trat Beck bei, um das Ganze wie eine gute Sache aussehen zu lassen.

Glaubenssätze:

Sie nennen deine Seele Thetan und glauben, sie sei älter als das Universum selbst. Dein Thetan ist bereits durch Millionen von vergangenen Leben gegangen und wird auch nach dir Millionen weitere erleben. Während dieser unvorstellbar langen Existenz hast du Millionen Traumata (oder Engramme) durchlebt, und das macht dich zu dem feigen, neurotischen, oberflächlichen Individuum, das du jetzt bist. Was du also tun musst, um dich von diesen traumatischen Erinnerungen zu befreien und den Status des Clear zu erreichen, ist, sie für 40 Euro einem Scientologen zu erzählen. Er wird dir zuhören bzw. dich „auditieren“, und dich anschließend beraten, welche 40-Euro-pro-Tag-Kurse du besuchen solltest. Währenddessen wird er dich möglicherweise auffordern, zwei Dosen zu halten, die an einen E-Meter befestigt sind. Dies ist ein Gerät, das elektrische Impulse in deinem Körper misst, wenn du schlüpfrige Gedanken hast.

Es gab auch schon kollektive Engramme, die in der Psyche alter Thetanen gefunden wurden. Hierbei können die Jahre als Genreschriftsteller eine große Hilfe sein: Es sind außerirdische totalitäre Regimes beteiligt, die sich vor Millionen Jahren die Erde als Massenexekutionsort zu Nutze gemacht haben.

Kontroversen:

Stumme Geburt: Scientologen glauben, dass die Geburt ein Trauma für den Thetan ist, deshalb sollte sie so still wie möglich verlaufen, besonders wenn deine Ehefrau eine kuhgesichtige B-Film-Schauspielerin ist.

Church of Satan

Geschichte:

Dies ist die coolste Sekte zum Eintreten. Du bleibst an Schultagen total lange auf, und Marilyn Manson hat den Status eines Geistlichen. Sie wurde in San Francisco in der Walpurgisnacht (30. April) 1966 gegründet, und wenn man sich einen Punkt im Raum-Zeit-Kontinuum aussuchen dürfte, wäre das wohl der coolste. Bei der Kirche des Satan ist 1966 das Jahr Eins, Anno Satanas, und es ist außerdem das Jahr, in dem die besten Alben aller Zeiten veröffentlicht wurden (Pet Sounds, Revolver, VU Banane). Zufall?

Der Verantwortliche, um den sich alles drehte, war Anton Szandor LaVey, Nachtkluborganist und Verfasser der „Satanischen Bibel“. LaVey hat dann den Rest der sechziger und den Großteil der siebziger Jahre damit verbracht, durch Talkshows zu wandern und seine Ideen in Mittelamerika zu verbreiten. Selbst nach seinem Tod hält er mit ziemlicher Sicherheit den Sektenführer-Rekord, mit den meisten Berühmtheiten gevögelt zu haben.

Glaubenssätze:

Ein Punkt, auf den Satanisten pochen: Satan ist eine Metapher, ein vereinigendes Symbol, das viele verschiedene Götter und Glaubens-ansätze repräsentiert. Satan ist kein großer Typ mit einem ordentlich geschnittenen Bart und einem haarigen Rücken, der in der Hölle lebt und Kindesmissbraucher und Straßenräuber mit Stacheldraht und heißen Felsbrocken bestraft.

Das ist vielleicht etwas verwirrend für uns normales Volk, die wir in liberalen, pseudo-christlichen Familien aufgewachsen sind. Wenn die Kirche des Satan dir irgendetwas beibringen kann, dann ist es, deinen Eltern nicht zu glauben. Satanistischer Glaube heißt, deinen eigenen Weg im Leben zu gehen und selbst zu denken—und wenn möglich sollte man dabei schwarze Kleidung tragen, Tiere ficken und Kirchen abfackeln.

Kontroversen:

Wenn dir jemals ein Satanist begegnet, wird er vermutlich abwehrend auf die folgenden Themen reagieren:

1) Ritualmord an Jungfrauen: Dies ist ein großer feuchter Altherrentraum und keine tatsächliche Praktik. Es ist außerdem ein Mythos, den die CIA verbreitet hat, damit du glaubst, es ist das Größte, ein fundamentalistischer Christ zu sein.

2) Initiationszeremonien, bei denen du das Blut eines weißen Huhns trinkst: Am besten lassen wir Tiere ganz aus dem Gespräch.

3) Kerzen haltend das Vaterunser rückwärts vortragen: Noch mehr Schwachsinn. Aber Satanisten lieben die Aufmerksamkeit. Keine dieser Sekten ist mediengeiler.

Regeln:

Die Kirche Satans hat elf Regeln und neun Sünden. Nummer 11 fasst alles zusammen: „Wenn du auf freiem Gebiet umhergehst, belästige niemanden. Wenn dich jemand belästigt, bitte ihn, stehen zu bleiben. Wenn er nicht stehen bleibt, zerstöre ihn.“

O.T.O. Ordo Templi Orientis

Geschichte:

Dies ist eine internationale, quasi-freimaurerische religiöse Bruderschaft, 1895 gegründet von einer Gruppe einsamer deutscher Geschäftsmänner. Es wäre sicherlich ein Sodomistenklub für erwachsene Internatsschüler in ausgefallenen Anzügen geblieben, wäre da nicht der britische Zaubermönch Aleister Crowley gewesen, der 1910 auf dem dritten Grad aufgenommen wurde. Crowley arbeitete sich zur Spitze hoch, änderte alle Regeln, schrieb ein Buch über magische Flüche und integrierte mystische Weisheiten von Thelema in die Organisation. Thelema ist das altgriechische Wort für Wille und berühmt dafür, den folgenden Quatsch zu verkörpern: „Tu was du willst, soll sein das ganze Gesetz.“ Das gesamte 20. Jahrhundert hindurch, vor allem nach Crowleys Tod im Jahr 1947, wurde in der internationalen O.T.O.-Gemeinschaft herumgestritten, was fast zu ihrem Niedergang führte. Doch gegenwärtig wurden sie wie die Scientologen vom IRS zu einer offiziellen Religion erkoren.

Struktur und Lehren:

Beim O.T.O. ist es nicht so wichtig, was man glaubt, sondern es geht vielmehr um das kaleidoskopische „Freiheit für alle“ ihrer Struktur und um ein breites Angebot an Sexkursen, an denen man teilnehmen kann, wenn man einmal drin ist. Diese beinhalten „Magick“ (wahre Magie braucht ein „k“), „Kabbalah“ (der rituelle Mystizismus, den Madonna mit auf ihr neues Album gepackt hat), Yoga (hoppla, sogar meine Mutter ist dabei) und Sex-Magick. Crowley selbst vögelte Prostituierte, bis sein Gesicht schmerzte, jeden Tag bis an sein Lebensende. Das soll für Kreativität sorgen. Das Pornosternchen Violet Blue ist eine im O.T.O. eingeweihte Hexe, doch keiner ihrer Filme beinhaltete magischen Analverkehr elften Grades, wie vom Obersten Bruder gelehrt. Pornografie taugt nichts.

Wenn du dem O.T.O. beitrittst, musst du dich 12 Grade hocharbeiten, die aufgeteilt sind in die Triade der Menschen der Erde, die Triade der Liebenden, und schließlich die Triade des Einsiedlers. Es ist ein wenig wie bei den Pfadfindern—das gleiche Ausmaß an Kindesmissbrauch, nur mit mehr Weihrauch. Du beginnst als Minerval, was etwa einen Wichtel entspricht, und auf dem Weg zum Obersten Bruder sammelst du Abzeichen wie „Ritter des Pelikan und Adler“ (für Schwim-men im Schlafanzug), „Groß-Inquisitor Kommandant“ (fürs Bandagieren des Beins deiner Großmutter), „Perfekter Oberpriester der Illuminaten“ (für Zitronenkuchenbacken zu wohltätigen Zwecken) und „Initiierter des Gnostischen Sanktuariums“ (fürs Erlernen, wie man einen Orgasmus von spiritueller Bedeutung erreicht).

Fraterni Saturni: die Bruderschaft des Saturn

Geschichte:

Wahrscheinlich die Sekte mit der traurigsten Geschichte. Franternitas Saturni ist eine deutsche Splittergruppe der O.T.O., die 1928 gegründet wurde, weil einige keinen Bock mehr darauf hatten, dass dieser englische Fatzke Aleister Crowley dauernd alles so machen konnte, wie er wollte. Es endete damit, dass sie von den Nazis verfolgt wurden. Ihr Führer war Eugen Grosche, der mit typisch deutschem Pragmatismus den ansprechendsten Teil von Crowleys Lehre beibehielt—die Sexualmagie—und diese in verschiedenen Richtungen weiter entwickelte, indem er tantrische Sexriten, Wassersport und wahrscheinlich jede Menge Masturbation hinzufügte.

Das wahrscheinlich coolste Mitglied war Albin Grau, ein düster-romantischer Künstler und Architekt, der Produzent und Produktionsdesigner von Murnaus „Nosfe-ratu“. Er war für die alchimistische Forschung zuständig und plante weitere klassische expressionistische Horrorfilme, bis Bram Stokers Kinder ihn verklagten. Er starb in einem Konzentrationslager.

Struktur:

Man kann die Fraternitas Saturni leicht mit anderen saturnischen Orden mit lateinischen Namen verwechseln, vor allem weil niemand Latein versteht und es keine Unterschiede zwischen ihnen gibt. Es gibt den Ordo Saturni, die Communitas Saturni und Fraternitas Templi Saturni. Die ursprüngliche Bruderschaft hat ihr Gradsystem ausgeweitet, so dass es jetzt 33 verschiedene Grade gibt, die man erreichen kann, stets mit immer lächerlicheren Namen. Sie alle organisieren ihre Hierarchien unterschiedlich, weil sie sich alle gegenseitig hassen—so haben sie das Gefühl, sich zu unterscheiden.

OK, der entscheidende Punkt ist: Die Bruderschaft des Saturn besteht vorwiegend aus Akademikern, die vertrackte Mastur-bationstechniken entwickeln, weil sie ihre Schülerinnen nicht dazu bringen können, mit ihnen zu schlafen. Nicht beitreten.

Die Osho-Rajneesh-Bewegung

Geschichte:

Die klassische Sektengeschichte. Osho-Rajneesh war ein Inder mit langem Bart, 1931 geboren, der im Alter von 21 Jahren eine Woche in seinem Schlafzimmer verbrachte, um sich von allen Hoffnungen und Anstrengungen zu lösen. Als er am Ende der Woche hinaus in den Garten ging, fiel ihm auf, dass es Mist ist, einen Job zu suchen, und er verbrachte sein Leben damit, Leute zu überzeugen, sich zu ihm in den Garten zu setzen und ihn für alles, was er tat, zu bezahlen. Er erzählte den Leuten, dies sei Aktive Meditation und entwickelte verschiedene Wege, sie zu erreichen, beispielsweise den Atem anzuhalten oder viel zu quatschen.

Dann begann es, wilder zu werden. Anfang der achtziger Jahre zog er auf eine riesige Ranch in den Vereinigten Staaten (gekauft von seinen Anhängern, die sich mittlerweile Rajneeshees nannten), wo eine riesige Kommune mit 7000 Menschen aufgebaut wurde. Sie nannten ihre Ranch Rajneeshpuram und ließen sie als richtige Stadt anerkennen, indem sie viele obdachlose Menschen dazu brachten, sie zu wählen. Alle anderen hielten diese Leute für arrogante Arschlöcher, vor allem weil ihre Sprecherin, Ma Anand Sheela, eine Verrückte war. Osho selbst, mittlerweile von Salpeteroxid abhängig, hatte ein Schweigegelöbnis abgelegt und fuhr den ganzen Tag in einem der 93 Rolls-Royces herum, die die Rajneeshees ihm gekauft hatten.

Die Beziehungen zum Volk verschlechterten sich, als Sheela fast 800 Leute mit Salmonellen in der Salatbar vergiftete. Diese Scharade hält noch immer den Rekord für den größten bio-logischen Terrorangriff in den USA.

Schließlich wurde Osho verhaftet und starb mit der Behauptung auf den Lippen, die CIA würde ihn vergiften und Ronald Reagan wolle ihn ermordet sehen.

Nachricht des Meisters:

Auch wenn man nicht mehr in der Kommune leben kann, kann man doch weiterhin der Sekte beitreten. Osho sagt: Sei frei von allem. Halte dich fern von Orten der Verwirrung und betrachte alles aus der Entfernung. Du wirst lachen. Dann hält dich nichts fest—keine Verstrickungen, sagt Osho, der Zen-Meister.

Und jetzt gib mir meinen Ernährungs-schlauch wieder und lass mich in Ruhe.


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